06.01.2018
Änderung der Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten bei Anteilen an Kapitalgesellschaften
Bei der Beendigung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist der sich ergebende Veräußerungsgewinn in Höhe von 60 % zu versteuern. Ein sich ergebender Veräußerungsverlust kann in Höhe von 60 % mit anderen Einkünften verrechnet werden. Bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns bzw. Veräußerungsverlustes werden von dem Veräußerungserlös – im Falle der Insolvenz regelmäßig 0 Euro – die Anschaffungskosten sowie etwaige Veräußerungskosten abgezogen. Zu den Anschaffungskosten gehören auch nachträgliche Anschaffungskosten. Praxisrelevant bei den nachträglichen Anschaffungskosten waren insbesondere Zahlungen aufgrund einer für die Gesellschaft vom Gesellschafter abgegebenen Bürgschaft sowie der Gesellschaft vom Gesellschafter gewährte Darlehen, die aufgrund der Insolvenz nicht mehr zurückgezahlt werden konnten. Bei den Darlehen erfolgte dabei nach der Rechtsprechung eine Differenzierung danach, ob diese von Anfang an in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen wurden, erst in der Krise der Gesellschaft gewährt wurden, bereits vor einer Krise mit Rangrücktrittsvereinbarung gewährt wurden oder ob es sich um normale Darlehen handelte, die in der Krise stehengelassen, d.h. nicht zurückverlangt wurden. Mit Ausnahme des letzten Falles wurde der Verlust derartiger Darlehen sowie Zahlungen auf für die Gesellschaft abgegebene Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten angesehen.
Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2008, bei der der Begriff der „Krise der Gesellschaft“ entfiel, war in der Rechtsliteratur und bei Finanzgerichten streitig geworden, ob die bisherige steuerliche Beurteilung beibehalten werden könne. Der BFH hat nun mit Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15 – diesen Rechtsstreit entschieden. Künftig führen Inanspruchnahmen eines Gesellschafters als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung. Gleiches gilt für der Gesellschaft gewährte Darlehen, die er insolvenzbedingt nicht mehr zurückerhält. Für Darlehen könne es nach Auffassung des BFH allenfalls noch dann eine Ausnahme geben, wenn diese Darlehen von Anfang an mit einer Rangrücktrittsvereinbarung im Sinne des § 5 Abs. 2a EStG versehen sind. Eine solche Rangrücktrittsvereinbarung nach § 5 Abs. 2a EStG führt allerdings dazu, dass das Darlehen bei der Gesellschaft nicht mehr als Verbindlichkeit ausgewiesen werden kann, sondern dann, wenn es in guten Zeiten gewährt wurde, als Rücklage beim Eigenkapital der Gesellschaft zu buchen ist. Wurde eine solche Rangrücktrittsvereinbarung erst später getroffen, kommt es darauf an, ob und inwieweit die Darlehensforderung des Gesellschafters zu diesem Zeitpunkt noch werthaltig war. Nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung führt die Rangrücktrittsvereinbarung zu Rücklagen und damit auch zu nachträglichen Anschaffungskosten. In Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung führt eine Rangrücktrittsvereinbarung nach § 5 Abs. 2a EStG hingegen zu steuerpflichtigem Gewinn.
Im Hinblick auf die bisher in Rechtsprechung in Literatur umstrittene Rechtslage hat der BFH allerdings ausgeführt, dass für Sachverhalte, die bis zur Veröffentlichung dieses Urteils verwirklicht wurden aus Vertrauensschutzgründen noch die bisherige Rechtsprechung weiter gilt.